Schlupfprobleme bei Aras und anderen Papageien

von

Hans-Jürgen Künne

In der Ausgabe 10/95 dieser Zeitschrift stellte Matthias M. die Frage nach den möglichen Ursachen für die Schlupfprobleme seiner Gelbbrustaras. Ich bin der Ansicht, daß die Antwort von Gloria Allen nicht ganz den Kern dieses Problems getroffen hat, und möchte daher ebenfalls zu diesem Thema Stellung nehmen. Das Absterben der Jungen unmittelbar vor dem Schlupf ist nach meinen Beobachtungen am häufigsten bei den großen Aras festzustellen, und zwar vorwiegend beim Dunkelroten Ara (Ara chloroptera), beim Gelbbrustara (Ara ararauna) und ganz besonders häufig beim Hyazinthara (Anodorhynchus hyacinthinus).

Fast alle mir bekannten Hyazinthara-Züchter können ein Lied von im Ei abgestorbenen Küken singen. So habe ich in diesem Jahr lediglich drei von acht befruchteten Hyazinthara-Eiern zum Schlupf bringen können.Warum gerade Küken dieser und einiger anderer Ara-Arten so schlecht schlüpfen, konnte ich allerdings bis heute genauso wenig klären wie andere Züchter. So berichtete mir zum Beispiel Rosemary Low von gleichen Schwierigkeiten bei den Hyazintharas im Palmitos Park, aber auch sie konnte mir keine Ursachen für das Absterben der Küken nennen.

Kurz vor dem Schlupf wurde das Ei weiträumig geöffnet. Befeuchtet man die Eihaut, sieht man kleine Äderchen. Sind sie nicht mehr durchblutet, wird das Junge aus dem Ei geholt.

Die Probleme sind immer die gleichen: Die Luftblase vergrößert sich während der Bebrütung nicht genügend, und auch die seitliche Vergrößerung der Luftblase, die den Schlupf einleitet.ist nicht ausreichend. Ungefähr zwei Tage vor dem eigentlichen Schlupftermin konnte ich bisher jedesmal die Jungen im Ei piepen hören. Allerdings picken sie die Eischale nicht oder nur so wenig an, daß man lediglich geringe Kratzspuren an der Innenseite der Eischale erkennen kann. In der Regel verstummen die Rufe nach einem Tag wieder, und die Küken sterben ab. Der Dottersack ist normalerweise nicht eingezogen worden und noch mit Eigelb gefüllt. Es haftet häufig noch etwas Eiklar am Küken. Alle Küken hatten einen sogenannten "Wassernacken", das heißt das Gewebe im Nackenbereich war stark angeschwollen.

Dieses Schlupfproblem trat bei meinen Hyazintharas 1989 zum ersten Mal auf. Damals war ich auch der Überzeugung, die Luftfeuchtigkeit sei zu gering. Ich erhöhte also bei den folgenden Bruten die Luftfeuchtigkeit im Brutraum und Brutkasten stark. (Mit Luftfeuchtigkeit ist hier und später immer die relative Luftfeuchtigkeit gemeint). Allerdings führte dies nicht zum gewünschten Erfolg, sondern die Küken starben meistens im Ei ab. Eine zu geringe Luftfeuchtigkeit kann also meiner Meinung nach nicht für das Absterben der Jungen verantwortlich sein. Zu dieser Zeit stellte ich auch fest, daß sich die Luftblase nicht ausreichend entwickelte. Daraufhin reduzierte ich bei den nächsten Bruten also die Luftfeuchtigkeit stark. Dies war in meiner Anlage gar nicht so einfach, da die Mauern und Betondecken das Wasser anscheinend sehr gut speichern und die Luftfeuchtigkeit im Brutraum immer zwischen 80 und 100 % lag. Deshalb trocknete ich das Nistmaterial vor dem Einbringen und stellte im Innenraum, wo der Nistkasten stand, einen Raumentfeuchter auf.

 

In der Brutmaschine erbrüteter Hyazinthara unmittelbar nach dem Schlupf. Die Eischale ist zwar nicht perfekt geöffnet worden, das Junge konnte dennoch aus eigener Kraft schlüpfen.

Das Nistmaterial war während der Brut extrem trocken und staubte bei jeder Bewegung der Alttiere. Ich habe damals eigentlich selbst nicht an einen Schlupf der Jungen geglaubt, da man ja überall nachlesen konnte, daß die Luftfeuchtigkeit hoch sein muß, um den Schlupf der Küken zu gewährleisten. Aber beide Jungen schlüpften ohne Probleme. Damit hatte ich zumindest nachgewiesen, daß eine zu niedrige Luftfeuchtigkeit nicht für das Absterben der Jungen verantwortlich war.

Leider stellte sich aber bei den folgenden Bruten heraus, daß trotz gesenkter Luftfeuchtigkeit (sie betrug allerdings immer noch ungefähr 70 %) viele Küken nicht schlüpften. Mehrfach war das Junge im ersten Ei eines Geleges abgestorben, und das Junge im zweiten Ei schlüpfte. Das spricht meiner Meinung nach gegen den dritten aufgeführten Grund von Gloria Allen. Sie vermutet, ein möglicher schlechter Allgemein-zustand des Weibchens könne einen Schlupf der Jungen verhindern. Allerdings sollte man in solch einem Fall erwarten, daß das erste Junge schlüpft, da das Weibchen dem ersten Ei noch am ehesten alle notwendigen Stoffe mitgeben kann. Auch deuten Verhalten und Aussehen meiner Hyazintharas nicht auf eine Krankheit oder einen Mangelzustand hin, und in entsprechenden medizinischen Untersuchungen konnten keine Krankheitserreger festgestellt werden.

Gelegentlich ist zu hören, daß die Jungen in den Eiern ersticken, wenn sie diese nicht anpicken. Ich habe daher die Eischale leicht geöffnet, nachdem die Rufe des Jungen zu vernehmen waren. Aber auch dieser Versuch führte zu keinem Erfolg, das Küken schlüpfte trotzdem nicht.

Hyazinthara-Ei, 21 Tage bebrütet. Die Luftblase ist viel zu klein. Dieses Ei hätte wesentlich trockener bebrütet werden müssen.

Da nur selten ein Jungtier aus dem ersten Gelege im zeitigen Frühjahr schlüpfte, sondern die meisten aus Nachgelegen im Sommer, vermutete ich einen Zusammenhang zwischen Temperatur und der Luftfeuchtigkeit, die ja im Sommer normalerweise niedriger ist als im Früjahr. Um mehr Licht ins dunkel zu bringen, entschloß ich mich, es mit der Kunstbrut zu versuchen, da nur in der Brutmaschine die Bedingungen kontrolliert werden können. Hierbei stieß ich jedoch auf Probleme, mit denen ich nicht gerechnet hatte. So stellte ich fest, daß fast alle Hygrometer nicht den richtigen Wert anzeigten. Ich legte fünf Hygrometer gleichzeitig in die Brutmaschine, und diese zeigten mir Werte von 30 bis 80% an. Nach mehrfachem Eichen schwankten die Werte nur noch zwischen 40 und 60 %. Gute Ergebnisse liefern meiner Meinung nach nur die sogenannten Verdunstungs-hygrometer, die mit Wasser gefüllt, durch ständiges Verdunsten eine Verdunstungs-temperatur anzeigen, die einer bestimmten Luftfeuchtigkeit zugeordnet wird.

Vermutlich brüten viele Züchter bei einer falschen Luftfeuchtigkeit und wissen dies gar nicht, da sie sich auf ihr Hygrometer blind verlassen.

In der Brutmaschine hatte ich nun auch die Möglichkeit, die Eier regelmäßig zu wiegen. Bei einer Naturbrut war dieses kaum möglich, da die Alttiere nur sehr selten aus dem Nistkasten zu locken waren. Zum exakten Wiegen der Eier benötigt man natürlich eine Präzisions-waage, die mindestens eine Stelle nach dem Komma anzeigt. Mit Küchenwaagen braucht man gar nicht erst anzufangen. Anhand der entsprechenden Formeln kann das Schlupfgewicht der Eier sowie der tägliche Gewichtsverlust genau berechnet und durch regelmäßiges Wiegen der Eier überprüft werden.

Während meiner ersten Kunstbrutversuche stellte sich heraus, daß anscheinend nicht alle Brutmaschinen gleich gut geeignet sind, wenn man die Eier vom ersten Tag an künstlich bebrüten will.

Das Gebläse der Brutmaschine sollte besonders ruhig laufen, um ein frühzeitiges Absterben der Embryonen durch Vibrationen zu verhindern. So empfiehlt auch G.Allen in ihrem Antwortschreiben, die Eier ungefähr zwei Wochen vom Weibchen bebrüten zu lassen. Deshalb legte ich beim ersten Versuch die Eier ebenfalls erst nach zwei Wochen in den Brüter. Da anhand der Eimaße das Legegewicht berechnet werden kann, stellte ich fest, daß die Eier bis zu diesem Zeitpunkt viel zu wenig Gewicht verloren hatten, die Luftblase war auch noch sehr klein. Ich bebrütete sie deshalb ohne Wasser im Brut- apparat, trotzdem lag der Gewichtsverlust bei insgesamt nur 7 %. Die Jungen schlüpften natürlich nicht, da der Gewichtsverlust zwischen 15 und 20 % liegen sollte. Bleibt der Gewichtsverlust unter 12 %, kann nach meinen Erfahrungen ein Küken kaum noch aus eigener Kraft schlüpfen.

Das nächste Gelege meines Hyazintharapaares bestand nur aus einem Ei, das ich von Beginn an in den Brüter legte. Anfangs hatte ich Schwierigkeiten beim Einstellen der Luftfeuchtigkeit. Das Gerät besaß eine automatische Luftbefeuchtung, die zwar nicht eingeschaltet war, der Behälter war jedoch mit Wasser gefüllt. Ich mußte den Wassertank völlig entleeren, um auf einen Feuchtegehalt von circa 40 % zu kommen (gemessen mit einem Verdunstungshygrometer). Es stellte sich heraus, daß das Ei unter diesen Bedingungen nicht die errechnete Gewichtsabnahme erzielte. Durch Entfernen des Hygrometers, das ja ständig eine geringe Menge an Feuchtigkeit verdunstete, konnte ich die Luftfeuchtigkeit noch weiter reduzieren. So erreichte ich eine Gewichtsabnahme von ungefähr 13,5 %, was zwar immer noch recht wenig ist, Allerdings schlüpfte das Junge ohne Hilfe.

Im folgenden Jahr konnte ich die Eier des ersten Geleges nicht sofort in den Brüter legen. Ich beließ sie zwischen sechs und zehn Tage beim Weibchen. Es war auf normalem Wege nicht mehr möglich, die Gewichtsabnahme in die gewünschten Bahnen zu lenken. Daher entschloß ich sich dazu, die Eier versuchsweise mit Schmirgelpapier anzuschleifen, um durch die dünnere Schale mehr Feuchtigkeit entweichen zu lassen. Die Gewichtszunahme vergrößerte sich zwar, sie war ber immer noch viel zu gering.

Dieses Hyazintharaküken ist unmittelbar vor dem Schlupf abgestorben. Die Eihaut ist zwar durchbrochen worden, die Schale aber nicht.

Da abzusehen war, daß diese Jungen so nicht schlüpfen würden, bohrte ich nach jeweils 8 Tagen Bebrütung ein kleines Loch in die Eischale über der Luftblase. Von nun an reduzierte sich das Gewicht in ausreichendem Maße, allerdings kam diese Maßnahme für das erste Ei zu spät. Das Junge pickte das Ei nicht an und konnte auch von mir nicht lebend aus dem Ei geholt werden. Der Gewichtsverlust betrug etwa 10 %. Das zweite Junge pickte das Ei ebenfalls nicht an. Deshalb vergrößerte ich zum Schlupftermin das Loch. Sobald die Äderchen in der Eihaut unter der Luftblase eingetrocknet waren (Eihaut mit Wasser anfeuchten), holte ich das Junge aus dem Ei.

.Als das nächste Gelege gezeitigt wurde, war ich verreist und konnte die Eier erst kurz vor dem Schlupf kontrollieren. Die Luftblasen waren entschieden zu klein, und die Gewichtsabnahme konnte auch im Brüter trotz Öffnen der Eier über der Luftblase nicht mehr so gesteigert werden, daß die Jungen schlüpfen oder lebend aus dem Ei geholt werden können. Völlig frustriert leistete ich dann beim letzten Gelege 1995 keinerlei Hilfe. Es war zu diesem Zeitpunkt aber sehr warm und trocken, so daß ein Junges selbständig schlüpfte und von den Alttieren aufgezogen wurde. Ein weiteres Ei war unbefruchtet.

Die von mir aus dem Ei geholten Jungen wuchsen in den ersten drei Wochen sehr gut heran, sie waren sogar schwerer als die von den Eltern versorgten Jungvögel. Allerdings hatten beide nach drei Wochen eine Phase, in der die Verdauung nicht optimal verlief. Kurze Zeit später entwickelten sich diese Tiere prächtig weiter. Zum Öffnen der Eier etliche Tage vor dem Schlupf muß noch gesagt werden, daß dies natürlich unter strengen hygienischen Bedingungen geschehen muß, da auf keinen Fall Krankheitserreger durch das Loch eindringen dürfen. Steriles Werkzeug und auch Erfahrung sind nötig, um mit dieser Methode Erfolg zu haben.

Warum geben die Eier aber nun in der Brutmaschine trotz einer Luftfeuchtigkeit von 25 - 30% so wenig Wasser ab? Es war mir zum Beispiel nicht möglich, Kakadu-Eier gleichzeitig mit in die Maschine zu legen, diese wären völlig ausgetrocknet. Es scheint so, als verhindere die Eischale der Ara-Eier eine Wasserabgabe nach außen. Warum ist aber eventuell die Schale anders aufgebaut? Kann es an einer falschen Ernährung der Alttiere liegen? Verhindert wirklich eine falsch aufgebaute Eischale den Schlupf, oder gibt es andere Faktoren, die vielleicht die Küken schwächen? Allerdings müßte auch aus einem Ei mit einem geschwächten Küken bei einer normalen Bebrütung ausreichend Wasser verdunsten.

Die Situation ist aber vermutlich bei anderen Papageienarten nicht so problematisch wie beim Hyazinthara, denn meistens reichen trockenere Verhältnisse aus, um den Küken das Schlüpfen zu ermöglichen. Ich erhalte häufiger Anfragen von anderen Züchtern mit Schlupfproblemen bei ihren Papageien. Die meisten brüteten mit einer hohen Luftfeuchtigkeit von 70 - 80%. Nachdem sie den Brutraum und die Nisthöhle nicht mehr zusätzlich befeuchteten, stellten sich bei den meisten wieder die Schlupferfolge ein.

Das Küken aus der vorherigen Abbildung. Der Dottersack ist nicht eingezogen worden, und es ist noch Eiklar zu erkennen. Das Küken ist aber komplett entwickelt.

Übrigens befeuchte ich meine Nisthöhlen grundsätzlich nicht mehr, Ähnlich wie es mehrere Bekannte von mir machen, und trotzdem schlüpfen die Jungen. In der Brutmaschine dürfte in den meisten Fällen eine Luftfeuchtigkeit von 50 % ausreichen, allerdings sollte jeder selbst eigene Erfahrungen sammeln und auswerten. Es spielen nämlich noch weitere Faktoren wie beispielsweise die Raumfeuchtigkeit und die Luft- umwälzung im Brüter eine Rolle.

Wer also Probleme mit dem Schlüpfen der Jungen hat, sollte nicht einfach die Luftfeuchtigkeit erhöhen, sondern lieber die Eier regelmäßig wiegen, um zu überprüfen, ob die Entwicklung normal verläuft. Man kann bei dieser Methode völlig auf ein Hygrometer verzichten, da bei zu geringer Gewichtsabnahme die Luftfeuchtigkeit einfach gesenkt, bei zu hoher erhöht werden muß. In der Regel wird eine Brutmaschine nicht ausreichen, wenn man gleichzeitig Eier von verschiedenen Papageienarten ausbrüten will. Wer zwei Brutmaschinen hat, kann diese mit unterschiedlicher Feuchtigkeit betreiben und die Eier bei Bedarf vom einen in den anderen Brüter legen. Da zum Schlupf unbedingt eine höhere Feuchtigkeit vorhanden sein muß, kann man also auch nicht Eier, die zu unterschiedlichen Zeiten gelegt worden sind, in einem Brüter belassen, sondern benötigt zumindest ein getrenntes Schlupfabteil, in dem die angepickten Eier bei einer Luftfeuchte von mindestens 80 % untergebracht werden.

Zum Schluß möchte ich noch kurz auf den von Matthias M. erwähnten geschwollenen Nacken eingehen. An diesem kann man meiner Meinung nach gut erkennen, ob das Ei zu feucht bebrütet worden ist oder nicht, da sich das Gewebe in diesem Bereich stark mit Wasser füllt. Der Nackenmuskel ist besonders ausgeprägt, da er für den Schlupfvorgang von großer Bedeutung ist. Er ist praktisch das einzige Muskelgewebe, das Wasser aufnehmen kann. Daher wirkt der Nacken auch besonders wuchtig, wenn das Gewebe zuviel Wasser enthält. Der übrige Körper ist zwar auch aufgeschwemmt, allerdings fällt das nicht so auf. Dehydriert ein Küken kurz nach dem Schlupf, fällt der " Wassernacken" sofort zusammen, und die Haut wird dort besonders faltig. Führt man diesem Küken wieder Wasser zu (am besten isotonische Kochsalzlösung und Amynin), schwillt der Nacken wieder auf seine alte Größe an.

In ihm wird meiner Ansicht nach eindeutig Wasser gespeichert. Der von Gloria Allen angeführten Theorie, die Schwellung sei fine Folge der Bemühungen des Kükens, sich aus dem Ei zu befreien, kann ich nicht folgen. Hierfür gäbe es eigentlich nur zwei Erklärungen: Zum einen könnte durch übermäßigen Druck auf den Nacken eine Schwellung entstehen, was ich mir aber nicht vorstellen kann (es wären dann vermutlich auch Blutergüsse zu erwarten). Zum anderen könnten die Muskeln durch Training ausgebildet werden. Die Zeit des Schlüpfens ist aber viel zu kurz, um ein derartiges Muskelpaket auszubilden.

Es gibt also noch viele offene Fragen zu diesem Thema, und ich würde mich über jede Anregung, die weiterführen könnte, freuen.

Erschienen in: "Papageien", Ausgabe 2/96